Two Nations Under One Groove
Ein Projekt zum Erhalt des europäischen Kulturaustausches - ein Bericht von Estelle Dupont
© Christian Borchers

„Der Jazz ist eine Lingua franca. Dass sich in ihr Musiker aus den verschiedensten Ländern und Kulturen verständigen können, macht gerade seine Stärke aus.“
Dass dieses Zitat von Manfred Papst noch immer aktuell ist, haben das niederländische Nationaal Jeugd Jazz Orkest und das deutsche Bundesjazzorchester bei ihrer Kooperation im September selbst erlebt. Unter dem Motto „Two Nations Under One Groove“ trafen sich beide Orchester unter dem Dach der Landesmusikakademie NRW in Heek um eine Woche lang zu proben, sich auszutauschen und internationale Freundschaften zu schließen. Dieser Austausch hat eine lange Tradition, unterstützt durch den Deutschen Musikrat.
Das Bundesjazzorchester, kurz „Bujazzo“, ist eine Bigband bestehend aus jungen Jazzmusiker:innen aus Deutschland von 16 bis 22 Jahren und wird von Prof. Niels Klein geleitet. Im Frühjahr hatte das Auswahlorchester des Deutschen Musikrats seine erste Arbeitsphase und ist seitdem auf Tour in ganz Deutschland. Das niederländische Nationaal Jeugd Jazz Orkest, auch NJJO genannt, wurde ebenfalls Anfang 2025 neu besetzt, allerdings nicht in klassischer Bigband-Besetzung, sondern als Large Ensemble, in dem auch Harfe und Vibraphon Teil der Band sind. Künstlerischer Leiter ist der Gitarrist Reinier Baas.
Der erste Abend in Heek war einem kleinen Vorstellungskonzert gewidmet, bei dem beide Bands einige Stücke des Repertoires darboten. Im Klang waren hierbei deutliche Unterschiede zu hören: während das Bujazzo einen eher typischen, vollen Bigbandsound zeigte, klang das NJJO einzigartiger, auch durch die Fusion von Klassik und Jazz, beispielsweise durch die Instrumentierung mit Harfe und Klarinette. Eines war jedoch sofort von beiden Seiten zu spüren: die Liebe zur Musik und die Motivation, beide Bands zu verbinden.
Genau das war die Aufgabe in den Proben die nächsten Tage. Die Bands wurden wild durchmischt, auch die Dirigate wechselten zwischen Prof. Niels Klein, Reinier Baas, sowie Mitgliedern der Orchester. Wie bei einem Gemälde wurde bei einzelnen Stücken des Bujazzo ein Sprenkler NJJO, beispielsweise durch die Harfe, oder in Arrangements des NJJO ein Tupfer Bujazzo, durch das Gesangsensemble, hinzugefügt, bis jedes Werk seinen ganz eigenen Sound entwickelte. Neben den Proben gab es für alle Teilnehmer:innen auch die Möglichkeit Workshops anzubieten. Hierbei kam ein sehr großes Angebot zusammen: von Arrangementkursen, Workshops über indische Musik, Yoga, Fußball, Gesprächsrunden über Sexismus im Jazz, bis zu Solokonzerten war für jeden etwas dabei. Von allen Seiten gab es Input und Inspiration. Egal ob Bujazzo-Musiker:innen, NJJO’s, die künstlerischen Leitungen oder die Orga-Teams, jeder konnte sein Thema präsentieren und den Horizont der Teilnehmer:innen erweitern.
Das Fußballspiel „Deutschland gegen Niederlande“, selbstverständlich ein reines Freundschaftsspiel, war hierbei ein besonderes Highlight und hat ebenfalls eine lange Tradition durch die letzten Besetzungen. Natürlich hat das Bujazzo als Vertreter der deutschen Nation mit einem fairen fünf zu drei gewonnen, selbstverständlich wurden aber beide Teams gleichermaßen gefeiert.
Mindestens so wichtig wie die offiziellen Programmteile waren die Jamsessions abends im Keller des „Langen Hauses“ der Musikakademie. Zusammen Evergreens zu spielen hat im Jazz eine Jahrzehntelange Tradition. Bei Jamsessions gibt es kaum Regeln, keine Arrangements, keine festen Besetzungen. Solange alle dieselbe Sprache sprechen, den Jazz, entsteht ein einzigartiges Zusammenspiel, egal ob die Musiker:innen aus Deutschland oder den Niederlanden kommen. Besonders schön war, dass nicht nur Musik gemacht, sondern auch getanzt wurde, sodass jeder Teil dieses besonderen Gemeinschaftsgefühls sein konnte.
© privat

Bei dem Konzert in Düsseldorf konnte diese positive und sorglose Stimmung ebenso herausgehört werden. Es wurde sich gegenseitig angefeuert, gejubelt, unterstützt und bei der Zugabe, ein grooviges Stück der Band „KNOWER“, standen alle auf der Tanzfläche, die nichts zu spielen hatten, um das Publikum mitzureißen. Der Abschied danach war auch mehr zuversichtlich als wehmütig, denn schon Anfang Oktober besucht das Bujazzo das NJJO in Rotterdam zu deren Heimspiel.
Am Ende dieser wertvollen Zeit haben wir eines verinnerlicht: in einem Europa, in dem immer mehr anti-europäische Parteien gewählt werden und an finanzieller Förderung der Kunst zunehmend gespart wird, sind wir durch eine ganz besondere Sprache verbunden. Diese ist weder englisch, noch deutsch oder niederländisch, sondern besteht aus Tönen, Rhythmen, Akkorden und Improvisation. In der ganzen Zeit, die das NJJO und das Bujazzo miteinander verbracht haben, wurde oft kommuniziert ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Die Sprache des Jazz ist universal und international. Jazz fördert Gemeinschaft, Freundschaft und Zusammenhalt, die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft, auch ohne Worte.