Deutscher Musikrat startet Offensive #SchuleNeuDenken: mehr Musik!

Das Präsidium des Deutschen Musikrates hat in seiner Sitzung am 10. März 2023 die Stellungnahme #SchuleNeuDenken: mehr Musik! verabschiedet. Darin werden in fünf zentralen Feldern die grundlegenden Stellschrauben für eine bessere musikalische Bildung identifiziert.

Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Der Deutsche Musikrat fordert alle Abgeordneten und Regierungen in Bund, Ländern und Gemeinden auf, allen Kindern und Jugendlichen von Anfang an eine fundierte musikalische Bildung zu ermöglichen. Die Erstbegegnung mit Musik und anderen künstlerischen Fächern an den Orten, an denen alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden – den Kitas und Schulen –, ist für viele ein Schlüsselelement in ihrer persönlichen Entwicklung. Diese Fächer auf die Ersatzbank zu setzen, wie es vielerorts derzeit passiert, ist unverantwortlich und kurzsichtig: Denn es bringt Kinder und Jugendliche massiv um ihre Bildungschancen und prägt damit auch die Gesellschaft von heute und morgen auf fatale Weise. Selbstwirksamkeit zu erfahren und die Neugierde auf Unbekanntes zu befördern, ist für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und damit auch für unsere Demokratie von existenzieller Bedeutung. #SchuleNeuDenken ist daher viel mehr als nur ein Hashtag: Es ist eine Mission für uns alle.“

Mit der Stellungnahme startet der Deutsche Musikrat zugleich auch eine Informations-, Diskussions- und Vernetzungsoffensive zum Thema musikalische Bildung. Unter anderem werden im Rahmen des Austauschformats „Musikforum“ in den nächsten Wochen die Kernbereiche der Stellungnahme mit Expertinnen und Experten aus der Bildungs- und Kulturpolitik, der Verbändelandschaft und der Wissenschaft diskutiert und gemeinsame Handlungsansätze angestoßen.

Berlin, 15. März 2023

 

Stellungnahme
#SchuleNeuDenken: mehr Musik!

Allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft, dem Bildungshintergrund und anderen Faktoren eine umfassende, ganzheitliche Bildung zu gewährleisten, muss das Ziel einer inklusiv und nachhaltig handelnden Gesellschaft sein. Schule ist ein zentraler Ankerpunkt, an dem die frühe Begegnung mit Musik erfolgen kann und muss. Die Bildungspolitik ist daher in der besonderen Verantwortung, Heranwachsenden an ihren Bildungsorten Zugang zu ihrem Kreativpotenzial und zur kulturellen Teilhabe zu verschaffen. Über das Ermöglichen ästhetischer Erfahrungen und die Vermittlung fachlicher Kompetenzen hinaus kann der Musikunterricht mittels individuellen und gemeinsamen Musizierens und Musik-Erlebens zu einer lebenslangen Beschäftigung mit Musik führen und die Verbindung von Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftlicher Verantwortung fördern.

Institutionelle Voraussetzung für eine umfassende musikalische Bildung ist eine feste Verankerung eines musikalischen Fachunterrichts, der von qualifizierten Fachlehrkräften mit Lehramtsstudium Musik und Referendariat erteilt wird. Der schulische Alltag ist jedoch bundesweit von massivem Stundenausfall oder fachfremd erteiltem Unterricht gekennzeichnet. Die problematische Situation und Zukunftsperspektive des schulischen Musikunterrichts ist u.a. umfassend in der Studie „Musikunterricht in der Grundschule“ dokumentiert. Einem ganzheitlichen schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag, der neben fachlicher Bildung auch die Persönlichkeitsbildung umfasst, kann der aktuelle Musikunterricht zu großen Teilen nicht mehr entsprechen. So werden viele für den gesellschaftlichen Zusammenhalt essenziellen Möglichkeiten zur kulturellen Teilhabe vertan.

Mit der Initiative #SchuleNeuDenken will der Deutsche Musikrat ein grundsätzliches Umdenken einleiten: Musik und den weiteren künstlerischen Fächern soll zukünftig eine zentrale Funktion in der individuellen Entwicklung Heranwachsender sowie bei der Teilhabe an kulturellen Verständigungs- und Aushandlungsprozessen zukommen. Ziel muss eine kulturell-ästhetische Mündigkeit sein. Nur auf der Grundlage solider Kenntnisse und reicher Erfahrungen können Heranwachsende die Vielfalt und existenzielle Dimension von Musik als Menschheitserbe und als individuelle und gesellschaftliche Bereicherung erleben. Musikalische Bildung kann überdies wesentlich zur interdisziplinären Vernetzung verschiedener Wissenschaften, Fachdisziplinen und Gesellschaftsbereiche beitragen.

Der Deutsche Musikrat fordert daher:

  1. Vorschulische musikalische Bildung: Um den Grundstein für eine gute musikalische Bildung auch schon im vorschulischen Bereich, etwa in Kindertagesstätten, zu legen, müssen Erzieher*innen in ihrer Ausbildung auch eine berufsfeldspezifische musikalische Qualifizierung erhalten.
  2. Musikalische Bildung an den allgemeinbildenden Schulen: Die Potenziale und Wirkungsdimensionen der künstlerischen Schulfächer müssen stärker berücksichtigt werden.
    1. Die Stundenkontingente für die künstlerischen Fächer müssen erhöht werden, Schul-AGs rund um Musik und Musikleistungskurse in den Gymnasien müssen mehr Kapazitäten erhalten. Es müssen durchgängig wöchentlich zwei Stunden Musikunterricht und abiturrelevante Grund- und Leistungskurse angeboten werden.
    2. Der kontinuierliche und qualifizierte Musikunterricht muss durch eine deutliche Erhöhung der Anzahl von Musik-Lehrkräften in allen Schulformen gewährleistet werden.
  3. Bildungskooperationen: Die Zusammenarbeit zwischen den formalen, den nonformalen und den informellen Bildungsbereichen muss gestärkt werden. Dazu müssen auch die rechtlichen und verwaltungstechnischen Grundlagen und Vorschriften geschaffen werden, damit Schule nicht zwingend ortsgebunden stattfinden muss, sondern zum Beispiel auch in Kooperation mit Musikschulen vor Ort. Die Kooperationen zwischen Musikschulen und allgemeinbildenden Schulen müssen intensiviert werden.
  4. Hochschulbereich: Die Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Musikhochschulen müssen entsprechend ausgestattet werden, um bedarfsgerecht ausbilden zu können. Auf diesem Weg müssen die künstlerischen und pädagogischen Studiengänge und Forschungsabteilungen ausgebaut werden.
  5. Best Practice und Monitoring: Best Practice-Beispiele im musikalischen Bildungsbereich sollen gefördert und sichtbar gemacht werden. Zudem bedarf es eines kontinuierlichen Monitorings aller musikalischen Bildungsbereiche mit ihren Bedarfen und Defiziten: von der Kindertagesstätte bis zur Erwachsenenbildung.

Um diese Bildungsbereiche in die Lage zu versetzen, zu einer möglichst qualifizierten und kontinuierlichen musikalischen Bildung noch wirksamer beizutragen, muss eine breite Diskussion zum Thema #SchuleNeuDenken stattfinden unter Einbezug der Kultusministerkonferenz und der mit Schule und außerschulischer Bildung befassten Ausschüsse in den Länderparlamenten. Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Relevanz des Themas müssen zudem die Kulturministerkonferenz, das Bundesbildungsministerium, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, die Bildungs- und Kulturausschüsse im Bundestag und die kommunalen Spitzenverbände in den Austausch einbezogen werden. Eine Aufklärungs- bzw. Imagekampagne für den Musikunterricht in und außerhalb der Schule begleitet diesen Prozess der Bewusstseinsschaffung. Denn: Entscheidungen, die wir heute treffen, prägen die nachfolgenden Generationen!

Ich bin ...

Musiker*innen können in den Ensembles des Deutschen Musikrates mitsingen oder mitspielen, dem Bundesjugendorchester, dem Bundesjazzorchester und dem Bundesjugendchor, an Wettbewerben teilnehmen. Mit vier weiteren Projekten im Bereich Förderung unterstützt der Deutsche Musikrat junge hochtalentierte Musiker*innen, Dirigent*innen, Komponist*innen und Interpret*innen zeitgenössischer Musik sowie Popmusiker*innen auf ihrem Weg in ein professionelles Musikerleben und schlägt eine Brücke zwischen Musiker*innen, Veranstalter*innen und Publikum. Zudem bietet das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) eine zentrale Informationsstelle zu allen Themen des Musiklebens.

 

 

Der Deutsche Musikrat ist Träger der Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche: Jugend musiziert und Jugend jazzt, der Wettbewerbe für professionelle Musiker*innen: dem Deutschen Musikwettbewerb, dem German Conducting Award (ehem. Deutscher Dirigentenpries) sowie dem Deutschen Chordirigent*innenpreis sowie den Wettbewerben für Amateurmusiker*innen: dem Deutschen Chorwettbewerb und dem Deutschen Orchesterwettbewerb.

Der Deutsche Musikrat e. V. ist Sprachrohr und Impulsgeber musikpolitischer Themen für seine Mitglieder.

Die zahlreichen Vorteile einer Mitgliedschaft im Deutschen Musikrat e.V. für Sie zusammengestellt. 

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Zur Förderung der jungen Musiker*innen und Musiker in den Ensembles des Deutschen Musikrates gehört auch das Konzertieren auf der Bühne vor Publikum. Anfragen für Engagaments nehmen die Projektletiter*innen gern entgegen. Durch die Konzertförderung Deutscher Musikwettbewerb werden im Jahr ca. 200 Konzerte an Konzertveranstalter und Konzertreihen vermittelt.

Musikpädagog*innen finden Konzepte und Arbeitsmaterialien für den Musikunterricht bei den Vermittlungsprojekten des Podium Gegenwart. Aktuelle musikpolitische Entwicklungen und Studien finden sich im Themenbereich „Musikalische Bildung“ sowie Fachbeiträge dazu beim Deutschen Musikinformationszentrum.

Mit dem Deutschen Musikinformationszentrum bietet der Deutsche Musikrat eine zentrale Informationsstelle zu allen Themen des Musiklebens.