Aus einem Wettbewerb kann sich vieles ergeben
Der Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs 2019, Konstantin Krimmel, im Interview.
Konstantin Krimmel gewann vor fünf Jahren den Deutschen Musikwettbewerb. Er hat seitdem eine beeindruckende Karriere gemacht. Welche Bedeutung gibt er Wettbewerben für den Aufbau und die künstlerische Profilschärfung einer Musikerkarriere?
Wenn man sich Ihre Bio ansieht, dann waren die Jahre 2018 und 2019 sehr ereignisreich: an mehreren Wettbewerben haben Sie sehr erfolgreich teilgenommen, Ihr Studium beendet, Ihre Debüt-CD veröffentlicht. Würden Sie im Nachhinein sagen: Das waren die für meine Karriere bisher entscheidendsten Jahre?
Ja, in diesen Jahren ist vieles passiert, wovon ich jetzt profitiere. Das war eine Phase, in der ich einige Wettbewerbe ziemlich nah hintereinander gemacht habe. Ich glaube, innerhalb von knapp einem dreiviertel Jahr waren es fünf oder sechs Wettbewerbe, die ich recht erfolgreich abschließen konnte. Ich glaube, dass gerade in der heutigen Zeit Wettbewerbe ein großes Sprungbett sein können - nicht immer sind und nicht sein müssen, aber auf jeden Fall sein können. Denn aus einem Wettbewerb kann sich vieles ergeben. Viele Wettbewerbe werden heute in den Sozialen Medien begleitet oder sogar live gestreamt. So habe ich bei einem der Wettbewerbe, der auch live gestreamt wurde, bereits nach dem Halbfinale eine Konzertanfrage aus Spanien erhalten. Es war ein Veranstalter, der den Stream verfolgt hatte. Ihm war es egal, wie der Wettbewerb ausgehen würde. Er fand einfach toll, was ich mache. Durch die neuen Medien können viel mehr Menschen erreicht werden, nicht nur die Menschen vor Ort - solche Möglichkeiten gab es vor 30 oder 40 Jahren noch nicht. Das kann für den einzelnen Sänger oder Sängerin eine große Chance sein.
Sie würden junge Musikerinnen und Musiker also zur Teilnahme an Wettbewerben grundsätzlich ermutigen?
Da macht natürlich jeder seine eigenen Erfahrungen. Tatsächlich waren für mich die Erfahrungen in den Wettbewerben und die Veröffentlichung der Debüt-CD ein Grundstein für das, was ich jetzt machen und mit wem ich Musik machen darf. Ich bin sehr dankbar für diese Entwicklung, das ist alles andere als selbstverständlich. Vor diesem Hintergrund kann ich persönlich nur zu Wettbewerben ermutigen.
Würden Sie sagen, dass das Ende des Studiums der richtige Moment für die Teilnahme an einem professionellen Wettbewerb ist?
Es gibt sicherlich nicht den einen richtigen Zeitpunkt. Es hat sich für mich einfach so ergeben. Es war schon ein großer Schritt, denn einfach ist so eine Wettbewerbssituation sicherlich nicht: In der ersten Runde sitzen da vier bis sechs Leute, die mich bewerten. Es hat so ein bisschen Gladiatoren-Style: Daumen hoch oder Daumen runter. Auf der anderen Seite muss ich jetzt im Nachhinein sagen, ist das eigentlich eine wahnsinnig gute Übung für den Job danach. Denn jedes Konzert ist eine Art Prüfungssituation. Manchmal ist es angenehm, weil man mit Leuten zusammen Musik machen darf, mit denen man schon oft zusammen musiziert hat. Da fühlt man sich ein bisschen wohler, als bei einem Wettbewerb, wo man teilweise vielleicht Sachen auch zum ersten Mal macht. Aber im Endeffekt ist jedes Konzert, jeder Liederabend, jede Opernvorstellung eine Art Prüfungssituation, wo dann sogar 2.000 Leute sitzen und dich bewerten. Von daher kann ich nur raten, diesen Mut aufzubringen und an Wettbewerben teilzunehmen.
Zeitlich tickt da jeder allerdings anders: Manche fühlen sich schon früher bereit, andere später. Für mich war es vorteilhaft, dass es so einen fließenden Übergang gab vom Studium zum Berufsleben – ohne, dass nach dem Studium etwas zum Stillstand kam. Normalerweise schreibt man nach dem Studium erstmal Bewerbungen oder bewirbt sich bei Agenturen, geht vorsingen. Wenn das dann nicht funktioniert, ist das schnell entmutigend, weil es dauert. Von daher war es in meinem Fall ganz gut, dass ich quasi noch in der Zeit, in der ich das schützende Dach der Hochschule noch über mir hatte, mit meinen Lehrern die Wettbewerbsstücke vorbereiten konnte – und sich nach den Wettbewerben nahtlos Neues anschloss. Es war dadurch bei mir einfach ein schöner, glücklicherweise fließender Übergang, was, glaube ich, auch dem Kopf und dem Geist und der Psyche sehr gut tut, dass da nicht irgendwie so ein Loch entsteht nach dem Studium. Denn nach dem Studium hast du Lust, bist motiviert und möchtest raus – aber oftmals braucht es dann noch ein bisschen, bis die Mühlenräder ineinandergreifen.
Welche Bedeutung hatte auf Ihrem Weg die Konzertförderung des Deutschen Musikwettbewerbs, die ja die Besonderheit beim DMW ist. War sie für Sie hilfreich?
Auf jeden Fall! Sie ist ja tatsächlich nicht nur für Musiker:innen, sondern auch für kleinere Veranstalter eine Unterstützung, die sonst eben nicht die großen Gagen zahlen können. Die Konzerte, die durch die Konzertförderung DMW kamen, waren sowieso meine ersten Konzerte – hier ist der DMW wie eine Art Agentur. Man kommt in den DMW-Verteiler und ins Netzwerk rein, steht in der Broschüre mit allen Daten und so können sich die Veranstalter schon mal ein Bild von einem machen. Zu dieser Zeit haben viele Musiker:innen ja noch keine eigene Webpräsenz. Von daher ist es in mehrfacher Hinsicht eine gute Unterstützung.
Gibt es kritische Punkte, von denen Sie sagen: Das wird bei Wettbewerben aus Ihrer Erfahrung heraus oftmals zu wenig beachtet?
Mir ist nichts Negatives aufgefallen für mich. Bei anderen Musikerinnen und Musikern habe ich manchmal wahrgenommen – nicht beim DMW, sondern bei anderen Wettbewerben – dass sie sich mehr Gespräche gewünscht hätten. Wenn man ausgeschieden ist oder nicht weitergekommen, dann ist für viele ein kritisches Gespräch mit der Jury wichtig - das war aber nicht immer der Fall. Meines Erachtens ist das aber auch eine Frage der Eigenverantwortung: Auch hier muss man manchmal den Mut zusammennehmen, einfach hingehen und fragen: Warum hat es nicht funktioniert? Können Sie mir eine Kritik geben? Das muss man einfordern. Auch später wird niemand für dich Dinge einfordern – das gehört zu deiner Eigenverantwortung als Künstler. Als Künstler bist du Selbständiger und musst dich um vieles selbst kümmern, auch um deine mentale und körperliche Gesundheit. Das gehört halt auch zum Job dazu – es ist das große Risiko dieses Jobs. Und das ist bei den Wettbewerben ebenfalls so: man bereitet sich für den Wettbewerb vor und man weiß, wann was ist. Nach der ersten Runde, warten, dann die zweite Runde - und da muss ich dann halt schauen einfach, dass ich fit und auf den Punkt präsent bin. Man kann sich einiges an Unterstützung holen, aber schlussendlich muss man doch irgendwie selbst gucken, dass man das ganze Zeug auf die Reihe bekommt.
Sie haben sich vor allen Dingen im Lied als Sänger hervorgetan. Wie kam es dazu?
Ich bin im Knabenchor groß geworden, mit weltlicher und geistlicher Chormusik. Meinen ersten Gesangsunterricht hatte ich in Ulm, damals habe ich von meiner Gesangslehrerin die obligatorische Fritz Wunderlich CD geschenkt bekommen. Damals, mit 16 Jahren, konnte ich damit aber noch nicht viel anfangen. Erst im Studium entdeckte ich das Lied, im Verlauf des Bachelors. Vielleicht war das genau der für mich richtige Weg: Ich ging vergleichsweise unvoreingenommen ans Lied heran. Ich habe von Anfang an mein eigenes Ding daraus gemacht. Man braucht eine gewisse technische Basis fürs Lied. Natürlich für die Oper und Konzert auch, aber gerade fürs Lied, um dann wirklich Kunst machen zu können, um das rauszuholen, was man rausholen möchte. Ich habe mich erstmal irgendwie selbst finden müssen in mir und meinem Körper und mit der Stimme, bevor ich dann wirklich anfange richtig in den Kontext reinzugehen bzw. das rauszuholen, was aus solchen Texten rauszuholen ist.
Sind Lied-Wettbewerbe nochmal anders als normale Musikwettbewerbe?
Ich kann nur ermutigen dazu, dass man zu einem Liedwettbewerb mit einem festen Duo-Partner geht. Ich glaube, dass man eine gute, überzeugende Interpretation eines Liedes nur dann hinbekommt, wenn man weiß, wie der Partner agiert, denkt, fühlt. Es ist schwerer, wenn man sich im Wettbewerbs-Druck auf den Pianisten vor Ort verlässt. Zumindest in meiner Wahrnehmung. Ich möchte niemanden den Job madig machen, aber aus meiner Erfahrung kann ich da nur dazu ermutigen, sich im vornherein schon mit einer Pianistin, einem Pianisten zusammenzutun und das zu erarbeiten, was man ausdrücken möchte. Dann fühlt man sich auch in der Wettbewerbsrunde viel, viel sicherer und entspannter, weil man weiß, OK, wir haben das schon 345 mal gemacht, vielleicht auch schon mal ein Konzert gegeben.
Tatsächlich hören sich Ihre Lied-Interpretationen so schlüssig, überzeugend, irgendwie leicht an. Wie bei einem Profi-Sportler – da wirken die Bewegungen auch oft leicht, die harte Arbeit dahinter sieht man nicht.
Das ist tatsächlich das Geheimnis: Wenn es sich nach außen hin einfach anhört, dann kriegt der Zuhörer nicht mit, was alles intern funktioniert. Wie viele Zahnräder zusammenlaufen. Aber das braucht Zeit und Übung. Und vor allen Dingen: Geduld.
Mein Lehrer Professor Teru Yoshihara in Stuttgart, sagte vor vielen Jahren zu mir: Hab Geduld, Geduld, Geduld. Es war das Wort, was ich am meisten gehört habe im Studium. Aber ehrlich - das will kein Student hören! Als Student willst du so schnell wie es geht nach oben, aber du kannst deine Stimme nicht erzwingen. Aber je tiefer die Stimme, umso mehr Zeit braucht sie, bis sie voll ausgebildet ist. Tatsächlich merke ich heute, nach 10 Jahren, er hat Recht. Das ist das Schöne am Gesang, wir können nicht wie Instrumentalisten mit 17 oder 16 Jahren schon perfekt sein, das funktioniert leider nicht. Es braucht diese biologische Entwicklung. Ich merke jetzt, dass ich jetzt so langsam in diese Phase reinkomme, wo es wirklich Spaß macht, weil sehr vieles möglich ist und weil ich mir nicht mehr große Gedanken machen muss über einzelne Stellen usw. Sondern ich kann einfach wirklich singen und Spaß haben im Konzert.