Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz: Bundesinitiative Musik und Demenz fordert Verbesserung des Angebots für Menschen mit Demenz

Musik gilt als „Königsweg“, um mit von Demenz Betroffenen zu kommunizieren. Sie lindert Symptome und wirkt präventiv. Doch derzeit ist der Bedarf an musikalisch-künstlerischen, musiktherapeutischen und musikgeragogischen Angeboten für Demenzerkrankte bei weitem nicht gedeckt. Dies wird auch durch eine bundesweite Potenzialanalyse zu musikbasierten Angeboten in stationären Einrichtungen belegt. Deren Ergebnisse, ebenso wie die Resolution „Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz“, werden heute im Rahmen eines Symposiums in Heidelberg vorgestellt.

Hierzu Claudia Roth, MdB, Kulturstaatsministerin: „Wenn Erinnerung und Sprache erlöschen, kann Musik eine Brücke in die Gemeinschaft bauen. Sie unterstützt, ja sie ersetzt bisweilen Formen der Kommunikation, die durch fortschreitende Erkrankungen versiegen. Die Musiktherapie kann in vielen Bereichen dazu beitragen, dass Menschen wieder am sozialen Leben teilhaben, Freude empfinden und damit auch Linderung einer Erkrankung erfahren. Es geht nicht zuletzt um die Würde der Betroffenen und darum, dass sie die Gesellschaft nicht ausschließen und vergessen darf. Deshalb hoffe ich, dass die Ergebnisse der Potenzialanalyse zu einer größeren Aufmerksamkeit für die Musiktherapie und die Arbeit der Therapeutinnen und Therapeuten führen.“

Hierzu Sabine Dittmar, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: „Die besonderen Belange von Menschen mit Demenz sind der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Im Jahr 2022 waren in Deutschland bereits mehr als 1,8 Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger von Demenz betroffen. Bedingt durch eine immer älter werdende Bevölkerung steigt die Gesamtzahl der Menschen mit Demenz kontinuierlich an – und damit auch der Bedarf der speziell auf die Bedürfnisse ausgerichteten Betreuung, Begleitung, Unterstützung und Pflege. Für Demenzerkrankte ruft Musik Erinnerungen und Gefühlsregungen wach, ermöglicht den Zugang zu einer Zeit, die ohne Musik nicht erinnert wird, verloren gegangen oder im Nebel zu schlummern scheint. Wenn Musik unser Leben lang ein steter Begleiter ist, so sollte man alles dafür tun, dass Musik auch in Pflegeeinrichtungen fest etabliert ist, zum Beispiel in Singkreisen oder auch in Form von Musik- und Kunsttherapien, bei Bewegungsübungen oder Sinnes- und Wahrnehmungsübungen.“

Hierzu Dr. Kirsten Kappert-Gonther, MdB, Vizevorsitzende des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags: „Musik kann gesundheitsfördernd und sogar therapeutisch wirksam sein! Dieses Potenzial ist in Deutschland bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Künstlerische Therapien stellen nicht nur, aber gerade für Menschen, die sich nicht gut verbalisieren können, eine große Chance dar. Sie können zur Heilung beitragen und, selbst wenn eine vollständige Genesung nicht mehr möglich ist, die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern. Auch für Menschen mit Demenz können diese Ansätze somit von großer Bedeutung sein. Schon heute sind Millionen von Menschen in Deutschland von Demenz betroffen und die Zahlen werden in Zukunft noch weiter steigen. Dem müssen wir präventiv begegnen und gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen, die das Risiko einer Demenzerkrankung verringern. Für Menschen, die bereits erkrankt sind, müssen passgenaue Hilfen ausgebaut werden, wozu auch kreative Therapieansätze gehören sollten. Durch den kreativen Zugang zu sich selbst, zum Denken, Fühlen und Wollen kann der Umgang mit der Krankheit und die Lebensqualität gestärkt werden. Deshalb halte ich die Bundesinitiative ‚Musik und Demenz‘ für so relevant und richtungsweisend.“

Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Die Bundesinitiative Musik und Demenz fordert die politischen Akteure auf allen föderalen Ebenen auf, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Demenzerkrankten bundesweit Zugang zu qualifizierten Musikangeboten zu ermöglichen. Dafür sind u.a. eine interministerielle Arbeitsgruppe und eine bedarfsgerechte Finanzierung nachhaltiger Strukturen und geeigneter Projekte nötig. Musik kann für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen der Schlüssel für einen besseren Alltag, ein sinnerfüllteres Leben sein. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser Schlüssel genutzt werden kann. Ich freue mich sehr über die Unterstützung durch die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, Sabine Dittmar, die Vizevorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, und Kulturstaatsministerin Claudia Roth.“

Hierzu Prof. Dr. Lutz Neugebauer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen  Musiktherapeutischen Gesellschaft: „Musiktherapie kann selbst unter schweren demenziellen Beeinträchtigungen soziale und kulturelle Teilhabe ermöglichen und hilft nachweislich, psychosoziale Begleitsymptome der Demenz zu mindern. Die entsprechende Forschungslage ist gut, die gesellschaftliche und mediale Anerkennung auch. Es gibt zudem eine über 30 Jahre gewachsene Expertise in der praktischen Anwendung von Musiktherapie im Bereich Demenz. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Bundesministerium für Gesundheit bislang keinen Handlungsbedarf für die Schaffung gesetzlicher Regelungen sieht, welche die Zugänglichkeit künstlerischer Therapien in der Versorgungslandschaft sicherstellt. Die Bundesinitiative Musik und Demenz wird auch diesen dringenden Nachholbedarf ins Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit heben.“

Hierzu Prof. Dr. Hans Hermann Wickel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik: „Forschungen und Praxiserfahrungen belegen überzeugend, dass Musik ein hervorragendes Medium ist, Menschen mit dementiellen Erkrankungen Lebensqualität zu ermöglichen, wo andere Wege und Medien oftmals keinen Zugang mehr finden. Musik spricht auch bei Demenz kognitive, soziale, motorische, emotionale und spirituelle Dimensionen an. Alle verantwortlichen Akteure der Gesellschaft sind daher dazu aufgerufen, das Grundrecht dementiell Erkrankter auf aktive musikalische Teilhabe und damit das Erleben der positiven Wirkungen des Musizierens auch in prekären gesundheitlichen Lebenslagen sicherzustellen.“

Die Resolution „Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz“ finden Sie nachstehend und zum Download hier. Eine Zusammenfassung der Erhebung zur Potenzialanalyse zu musikbasierten Angeboten in stationären Einrichtungen von Prof. Dr. Alexander Wormit (SRH Hochschule Heidelberg) und Prof. Dr. Kai Koch (Universität Vechta) finden Sie hier.

Die Bundesinitiative Musik und Demenz wurde 2022, angestoßen durch den Landesmusikrat Hamburg, vom Deutschen Musikrat, der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik gegründet. Ziel der Initiative ist es, in ganz Deutschland bedarfsgerechte musiktherapeutische, musikgeragogische und musikalisch-künstlerische Angebote für Menschen mit demenziellen Veränderungen nachhaltig sicherzustellen und damit auch die kulturelle und soziale Teilhabe von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen zu stärken.

Heidelberg, Berlin und Hamburg, 29. März 2023

 

Resolution
„Musik für mehr Lebensqualität bei Demenz“

Aktives Musizieren und musikalisches Erleben bedeuten Lebensqualität, fördern nachweislich die Gesundheit und wirken präventiv. Die Wirksamkeit musikalisch-künstlerischer, musiktherapeutischer und musikgeragogischer Angebote für Gesundheit und Wohlbefinden bei Menschen mit Demenz und anderen alters-assoziierten, neurodegenerativen  Erkrankungen ist wissenschaftlich belegt, durch hohe Expertise gestützt und in der Öffentlichkeit unumstritten. Darüber hinaus bieten musikalische Settings die Möglichkeit, das Miteinander von Menschen mit und ohne entsprechende Einschränkungen, auch in generationsverbindenden Formaten, zu fördern.

Deutschland braucht flächendeckend Strukturen, die insbesondere für Menschen mit Demenz qualifizierte musikbasierte Angebote in bedarfsgerechtem Zuschnitt und Umfang verwirklichen, sowie Netzwerke, die professionelle und ehrenamtliche Kompetenzen integrieren. Deshalb wurde im September 2022 die Bundesinitiative Musik und Demenz (BIMuD) auf Initiative des Landesmusikrates Hamburg gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat, der Deutschen Gesellschaft für Musikgeragogik und der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft gegründet.

Auch Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen haben ein Recht auf Lebensqualität, ein Recht auf Teilhabe an Kunst und Kultur! Für die Verwirklichung dieses Rechts ist die Bereitstellung von wirksamen Musikangeboten dringend erforderlich.

Deshalb formuliert die Bundesinitiative Musik und Demenz folgende Erwartungen an die politischen Akteure auf allen föderalen Ebenen:

  1. Demenzbetroffene müssen überall in Deutschland Zugang zu qualifizierten Musikangeboten haben, z. B., indem sie mindestens einmal wöchentlich an einem qualifizierten Musikangebot teilnehmen können.
  2. In allen Landkreisen und kreisfreien Städten braucht es Anlaufstellen (z. B. Service­points, regionale Netzwerke), in denen qualifizierte Fachkräfte und Ehrenamtliche
  • Musikangebote für Demenzbetroffene und ihre Angehörigen initiieren, auf- bauen und fördern,
  • Fachpersonal und Ehrenamtliche für Musikangebote vermitteln,
  • Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Betreuungskräfte und Ehrenamtliche organisieren bzw. selbst anbieten.
  1. Die Bundesministerien für Gesundheit (BMG), für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), für Bildung und Forschung (BMBF) sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sind aufgefordert, unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesinitiative Musik und Demenz eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Konzeptes für notwendige Standards und Strukturen einzurichten.
  2. Dieses Konzept soll bis 2024 entwickelt, in die Nationale Demenzstrategie eingebettet und im Bundeshaushalt 2025 haushaltswirksam verankert werden.
  3. Die Ministerien BMG, BMFSFJ sowie die BKM sind aufgefordert, in einem gemeinsamen Schulterschluss eine bedarfsgerechte Finanzierung nachhaltiger Strukturen und geeigneter Projekte sicherzustellen.
  4. Die Ministerien BMG, BMFSFJ sowie die BKM initiieren ein Bündnis für Kulturelle Teilhabe Demenzbetroffener im Sinne des Bundesaltenplanes (Partizipation, Aktivierung der Potenziale und Unterstützung für selbstbestimmte Teilhabe).

Heidelberg, Berlin und Hamburg, 29. März 2023

Ich bin ...

Musiker*innen können in den Ensembles des Deutschen Musikrates mitsingen oder mitspielen, dem Bundesjugendorchester, dem Bundesjazzorchester und dem Bundesjugendchor, an Wettbewerben teilnehmen. Mit vier weiteren Projekten im Bereich Förderung unterstützt der Deutsche Musikrat junge hochtalentierte Musiker*innen, Dirigent*innen, Komponist*innen und Interpret*innen zeitgenössischer Musik sowie Popmusiker*innen auf ihrem Weg in ein professionelles Musikerleben und schlägt eine Brücke zwischen Musiker*innen, Veranstalter*innen und Publikum. Zudem bietet das Deutsche Musikinformationszentrum (miz) eine zentrale Informationsstelle zu allen Themen des Musiklebens.

 

 

Der Deutsche Musikrat ist Träger der Wettbewerbe für Kinder und Jugendliche: Jugend musiziert und Jugend jazzt, der Wettbewerbe für professionelle Musiker*innen: dem Deutschen Musikwettbewerb, dem German Conducting Award (ehem. Deutscher Dirigentenpries) sowie dem Deutschen Chordirigent*innenpreis sowie den Wettbewerben für Amateurmusiker*innen: dem Deutschen Chorwettbewerb und dem Deutschen Orchesterwettbewerb.

Der Deutsche Musikrat e. V. ist Sprachrohr und Impulsgeber musikpolitischer Themen für seine Mitglieder.

Die zahlreichen Vorteile einer Mitgliedschaft im Deutschen Musikrat e.V. für Sie zusammengestellt. 

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Zur Förderung der jungen Musiker*innen und Musiker in den Ensembles des Deutschen Musikrates gehört auch das Konzertieren auf der Bühne vor Publikum. Anfragen für Engagaments nehmen die Projektletiter*innen gern entgegen. Durch die Konzertförderung Deutscher Musikwettbewerb werden im Jahr ca. 200 Konzerte an Konzertveranstalter und Konzertreihen vermittelt.

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Mit dem Deutschen Musikinformationszentrum bietet der Deutsche Musikrat eine zentrale Informationsstelle zu allen Themen des Musiklebens.