7. Oktober 2025
Popmusik: Soundtrack des gesellschaftlichen Wandels
Popmusik hat sich immer wieder als mächtiges Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung und demokratische Prozesse erwiesen. DMR-Generalsekretärin Antje Valentin erkundet gemeinsam mit Prof. Dr. Barbara Hornberger (Uni Wuppertal), Olaf „Gemse“ Kretschmar (Bundesverband Popularmusik) und der Musikerin Nina „Miu“ Graf, wie Popmusik als Resonanzraum für Emotionen und Identität fungieren kann, als Spiegel für die Vielfalt an Lebenswelten und als Plattform für Protest.
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Antje Valentin: Was hat Popmusik mit Demokratie zu tun? Und wenn wir über Popularmusik sprechen, dann meine ich das ganze Spektrum von Elektro, Pop und Jazz über Hip-Hop bis hin zu Schlager und volkstümlicher Musik.
Nina „Miu“ Graf: Eine ganze Menge – einfach, weil sie Menschen an einem Ort zusammenbringt und auch das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. Die Musikgeschichte zeigt außerdem, dass einzelne Songs oft zu Symbolen von politischen Bewegungen oder Protesten geworden sind.
Prof. Dr. Barbara Hornberger: Wir handeln mit Kultur aus, wie wir als Gesellschaft miteinander leben, und das brauchen wir. In Songs geht es zum Beispiel um Geschlechterrollen, um Machtverhältnisse in Beziehungen oder darum, wie man Kummer verarbeitet. Hochkultur war immer eine privilegierte Kultur, eine elitäre Kultur. Dass inzwischen populäre Kulturen auch eine größere Legitimität haben und zum Teil auch gefördert werden, sagt etwas darüber aus, dass der Geschmack „einfacherer“ Leute auch mit ihrem Aufstieg in der Gesellschaft „mit-legitimiert“ wurde – und das ist ein demokratischer Vorgang.
Olaf „Gemse“ Kretschmar: Musik ist ein Katalysator für soziale Prozesse, auch für Konflikte. Man erreicht heute die Leute mit Politik oft gar nicht mehr und mit akademischen Vokabeln eher auch nicht, mit Musik aber fast immer. Fast jeder Mensch hat eine Verbindung zur Popularmusik. Oft war Musik sowas wie der Soundtrack gesellschaftlicher oder politischer Bewegungen, von Emanzipationsprozessen: Techno in den Neunzigern, Punk in den Achtzigern, Disco in den Siebzigern. Disco stand explizit für die Schwulenbewegungen in Amerika. Popmusik ist ein Resonanzraum für Identitätsfindung, kollektiv wie individuell. Sie verbindet Menschen und Gruppen miteinander, stellt Gesellschaft her. Das ist eine Basis von Demokratie – und das ist auch, was gerade deutlich verloren geht. Wenn Menschen zusammenkommen, vielleicht mit einem Glas Bier gemeinsam am Tisch sitzen, dann beginnen Austausch und Verständigung.
Hornberger: Ich stimme Olaf zu. Dennoch: All das trifft auch auf den Rechtsrock zu. Gemeinschaft ist erstmal ein Teil des Demokratischen, aber nicht jede Gemeinschaft ist deswegen demokratisch. Und Musik ist per se erst einmal noch keine Kraft, die alles immer besser macht, sondern ist ein sehr mächtiges, ein emotionalisierendes kulturelles Tool. Das haben auch Diktaturen immer gewusst, das hat auch das Militär immer gewusst: dass man mit der Emotionalisierung durch Musik Leute beeinflussen kann, dass man Gruppen beeinflussen und „zusammenschmieden“ kann. Im besten Fall wird das demokratisch genutzt.
Graf: Wir haben während der Corona-Zeit gesehen, was mit Gesellschaften passiert, wenn man kollektive Zufluchtsorte für sehr lange Zeit schließt. Um es plakativ auszudrücken: Wir haben gesehen, dass die Leute dann auf einmal alle auf YouTube recherchieren und ganz wahnwitzige Sachen finden. Daher sind Konzerte und auch niedrigschwellige, barrierearme Kulturangebote wie Kultursommer von Radioanstalten, bei denen es vielleicht nicht einmal Eintrittspreise gibt, sehr wichtig. Einerseits wegen dieses Zusammengehörigkeitsgefühls, andererseits wegen der Auseinandersetzung mit dem, was auf der Bühne passiert und mit mir als Publikum.
Kretschmar: Popularmusik spiegelt die Vielfalt unserer Kultur wider. Damit sie ihre Potenziale entfalten kann, braucht sie infrastrukturelle Rahmenbedingungen und Förderstrukturen vor Ort bei den Menschen, insbesondere für Nachwuchs, Vielfalt und Teilhabe. Clubs sind ein maßgeblicher Teil dieser Infrastrukturen, auch wenn viele junge Menschen sich zurzeit an anderen Orten treffen. Wir sollten sie selbst ihre Räume nach ihren Vorstellungen und Werten gestalten lassen. Die Musikszene muss sich viel stärker öffnen für die Jugend! Im Bundesverband bemühen wir uns mit unserem Programm „POP TO GO“ darum. Wir haben bisher bundesweit mit 120.000 Kindern und Jugendlichen Projekte durchgeführt und sehen ganz unmittelbar, wie Popularmusik junge Menschen von der Straße holt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt, Gewaltprävention bei jungen Menschen bewirkt und einen Raum für Identitätsfindung bereitstellt.
Haltung zeigen
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Valentin: Inwiefern kann Pop heute noch politisch sein, vielleicht sogar politische Auswirkungen haben?
Hornberger: Es gibt immer noch diese Bands, die für ihre Fans auch für eine bestimmte Haltung zur Welt stehen und dafür geschätzt werden. Ich denke zum Beispiel an Danger Dan mit „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, Feine Sahne Fischfilet und Freiwild. Daneben gibt es auch Bands, die sich gar nicht so explizit in den Texten ihrer Lieder politisch äußern, die sich aber durch die Auswahl ihrer Veranstaltungen, auf denen sie spielen, und durch öffentliche Äußerungen politisch verorten. Die Frage ist auch: Was ist überhaupt politisch? Für mich sind auch Liebeslieder nicht unbedingt unpolitisch. Denn die Art und Weise, wie wir lieben – da muss man gar nicht in die 68er-Romantik zurückgehen –, hat ja sehr wohl was damit zu tun, wie wir auf Menschen schauen, wie wir auf uns schauen, wie wir gesellschaftliche Rollen und Verantwortlichkeit verhandeln.
Kretschmar: Ich habe eine Weile gebraucht, um die tiefe Existenzialität von Liebesliedern zu erfühlen. Es geht dabei um Wahrhaftigkeit, Dringlichkeit und Suche nach Glück. Die menschliche Existenz ist der Rohstoff von Kunst. Das sollte wir in jeder musikalischen Ausdrucksform anerkennen und respektieren. Es ist an der Zeit, all die Geschmacksgräben zu überbrücken, hinter denen wir musikalische Genres, die uns persönlich nicht ansprechen, als uncool oder gar künstlerisch weniger wertvoll einstufen. Für andere Menschen haben diese Musikstile eine Bedeutung, und das erfordert Respekt. Die große Bedeutung von Popularmusik wird erst dann sichtbar, wenn wir alle Formen von Techno bis Tango abbilden.
Graf: In der Popmusik gibt es viel politische Haltung. Viele Künstler:innen haben sich zum Beispiel politisch zur Bewegung „Fridays for Future“ bekannt. Im Iran machen manche Künstler:innen über ihre Musik ganz klar ihre politische Meinung deutlich – und werden dafür politisch verfolgt. Ähnliches kennen wir vom Fall „Pussy Riot“ aus Russland. Es gibt auch viele queere Artists, die auf ihre Lebensrealitäten und auf Diskriminierung aufmerksam machen. Die Popmusik bietet marginalisierten Gruppen eine Bühne. Das war schon immer so, ist jetzt aber durch die Algorithmen im digitalen Zeitalter, durch Social Media und Streaming kleinteiliger geworden und hat andere Verbreitungswege gefunden.
Kretschmar: Die Entwicklung populärer Genres hat stark mit marginalisierter Existenz zu tun. Wenn man sich Gospel, Blues anguckt, auch Disco, Punk, Metal, Hip Hop –marginalisierte Gruppen haben im Prozess der Entstehung dieser Genres ihre Identität zum Ausdruck gebracht und gesellschaftlich verankert. Aber vielleicht haben auch Genre einen „Produktzyklus“: Irgendwann wurde diese Musik dann von der Kulturindustrie übernommen, verändert, vermarktet und so zu Mainstream.
Hornberger: Die letzten großen Popmusikkulturen, die wirklich aus einer lokalen Subkultur, aus einer lokalen Szene hervorgegangen sind, sind in den 1980er - 1990er Jahren entstanden: Deutscher Hip-Hop, Techno, elektronische Tanzmusik und anderes. Danach wurden solche Entwicklungen zunehmend dezentral und global und es kam nicht mehr so wahnsinnig viel Neues dazu. Stattdessen gab es eine Diversifizierung von Szenen. Menschen können sich unterschiedlichen Gruppen zugeordnet fühlen: Man kann am Wochenende Surfer, unter der Woche in einer anderen Szene und gleichzeitig Gamer sein. Das war tatsächlich in den 80er und 90er Jahren noch nicht so stark ausgeprägt. Die Verbindung von Jugend, Subkulturen und Musik ist heute nicht mehr so selbstverständlich, wie sie einmal war. Daher greift man, etwa auch für Demonstrationen mit sehr gemischtem Publikum, auf die alten Songs zurück: „We shall overcome“, „Imagine“ oder „Schrei nach Liebe“ kennen inzwischen drei Generationen. Wir haben heute eben auch eine ganz andere Zusammensetzung von Demonstrierenden, und das hat Auswirkungen auf die Musik: Die „Omas gegen Rechts“ wären in den 80ern nicht denkbar gewesen.
Graf: Im Gegensatz zu den 80ern und 90ern, wo es die große „Wetten dass“-ZDF-Bühne gab und zwei, drei weitere große Sendungen, gibt es durch eine viel fragmentiertere Mediennutzung heute kaum noch dieses „Hymnengefühl“ bei einzelnen Songs. Ich glaube, dass es früher noch viel klarere Role Models gab, auf die sich sehr viel mehr Menschen einigen konnten: Als John Lennon „Imagine“ gesungen hat, war er für den Moment einfach das Role Model für eine Art Friedensbewegung. Aktuell ist es in unserer Popkulturlandschaft schwer ist, diese Role Models so klar zu definieren und auch zu forcieren.
Unerfüllte Erfolgsversprechen: TikTok, Streaming & Co.
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Valentin: Welche Rolle spielt die sich verändernde Medienlandschaft mit Blick auf die demokratiefördernde Bedeutung von Popmusik?
Graf: Der NDR und weitere öffentlich-rechtliche Sender haben in der Vergangenheit relativ viele öffentliche Sommerfestivals veranstaltet. Der NDR musste dann in den letzten Jahren sukzessiv Bühnen einsparen. Mittlerweile gibt es nur noch wenige von diesen Festivals. Ich war selbst mehrfach bei solchen Veranstaltungen dabei: Es ist dort ein kompletter Querschnitt der Gesellschaft anwesend. Natürlich gibt es Fans von bestimmten Bands, man sieht aber auch Menschen, von denen man weiß, die könnten sich diese Konzerte von den Radiostars nur selten leisten. Diese Möglichkeit der kulturellen Teilhabe ist ganz wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, auch den Staat und öffentlich-rechtliche Sender dafür mit in die Verantwortung zu ziehen. Denn es geht bei der Thematik auch darum, ein mögliches Radiosterben aufzuhalten. Es kann nicht das Ziel sein, nur noch Streaming-Playlisten zu hören, sondern wir brauchen kuratiertes Material und müssen Menschen mit Musik zusammenzubringen.
Kretschmar: Social Media hat heute einen derart massiven Einfluss auf die Gesellschaft, wie wir es kaum ermessen können: Wir gestalten unsere Realität für TikTok und verlieren damit unsere Sozialräume und Dinge, die uns früher heilig waren. Gegen große Gefahren entsteht immer auch eine große Gegenbewegung, eine Rebellion. Die würde ich mir wünschen. Und Rebellion führt natürlich auch zu neuer Musik, zu neuem Sound, zu künstlerischer Entwicklung und zu neuer Emotion – und über diesen Prozess kommt vielleicht auch eine soziale Bewegung in Gang. Der Raum, wo Menschen sich treffen und miteinander irgendetwas machen: Der ist wirklich existenziell, den sollten wir stärken.
Graf: Eine Ergänzung zum Thema TikTok. Es ist sehr wichtig, eine von diesen großen Plattformen unabhängige Infrastruktur für Kultur zu haben. Denn wir sehen ja an vielen Stellen, dass diese Plattformen durchaus demokratiegefährdend sein können. Sie pushen das gesellschaftliche Empörungsverhalten, denn zumindest aktuell spielen die Algorithmen ganz besonders solchen Content aus, über den sich Menschen aufregen oder empören können, sich in den Kommentaren an die Gurgel gehen. Das entspricht aber ja nicht dem echten Leben. Man sollte Menschen explizit dazu bringen, Dinge in einem normalen menschlichen Diskurs zu verhandeln, sich als Mitmenschen gegenüberzustehen – und auszuhalten, dass man nicht unbedingt einer Meinung ist. Auch als Künstlerin finde ich TikTok & Co problematisch, insbesondere für die Musikvermarktung, denn die Musik gerät immer mehr in den Hintergrund.
Valentin: Man ist also nur noch mit Marketing beschäftigt und nicht mehr mit der Musik?
Graf: Ja, es geht immer mehr darum, Narrative zu finden oder auch Content Pieces, Ideen für Social Media, Videos und so weiter. Die Musik wird dabei absolut zu einer Nebensache. Das halte ich für unsere Kultur, und ehrlich gesagt auch aus Marketingsicht, für total gefährlich. Denn ich vermarkte ja gar nicht mehr das, was ich eigentlich verkaufen möchte.
Valentin: Im Grunde ist doch jedes gute Smartphone heute schon eine Art Mini Digital Workstation für Musik, wenn man die richtigen Apps drauf lädt. Kann jeder und jede heute seine eigene Musik produzieren? Ist das auch ein Beitrag zu einer „Demokratisierung“ von Kultur?
Kretschmar: Unbedingt! Es gibt heute eine Art Vergesellschaftung der Produktionsmittel – Home Recording, Ableton, Native Instruments, DAW usw. Das schafft relativ niedrigschwellig Zugang zur Produktion von Musik für Menschen, die nicht über die finanziellen Ressourcen verfügen, etwa das Geigenspiel zu erlernen, gleichwohl aber im Übermaß über den Rohstoff von Kunst – die menschliche Existenz. Künstler wie OG Keemo zeigen, dass daraus große Kunst entstehen kann.
Graf: Die Gatekeeper zum Markt haben sich vielleicht ein bisschen verändert, aber es gibt sie nach wie vor. Man muss durch Exzellenz und Know-how herausstechen. In der Popmusik sehen wir erste Anzeichen davon, dass sich unsere Landschaft wandelt: Produktionsverhältnisse werden immer kleiner (Stichwort Bedroom Producing) und Labels machen in der Regel keine Aufbauarbeit mehr, nach dem Motto: Krieg das doch erst mal selbst hin, und wenn du Geld verdienst und bekannt bist, dann kannst du nochmal wiederkommen. Auch Streaming & Co ist ein verstecktes Aufstiegsversprechen, das nicht eingelöst wird. Es sagt nämlich auch im Nebensatz: Wenn du es nicht schaffst, dann bist du selbst schuld – obwohl sichtbare Playlistplatzierungen aktive Entscheidungen der DSPs sind. Und das ist ein sehr großes Problem, was wir im Moment in der Popmusik bzw. Popkultur haben und warum wir eine Prekarisierung des Berufs von eigentlich immer besser ausgebildeten jungen Musikschaffenden beobachten.
Lebenswelten der Zuwanderungsgesellschaft
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Valentin: Naika Foroutan sagt, ab 2035 gibt es in Deutschland mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als ohne. Ist diese gesellschaftliche Vielfalt auch in der Popszene sichtbar?
Graf: Ja, vor allem im Hip-Hop. Abseits von teilweise antifeministischen Texten geht es im Hip-Hop viel um Themen wie Aufstiegsschwierigkeiten, verwehrte Chancen, Nichtzugehörigkeit, das Bilden von und Sich-Behaupten in Parallelgesellschaften. Der eigene kulturelle Hintergrund fließt hier immer wieder ein, zumindest im Deutsch- und Gangsta Rap.
Hornberger: Ich würde auch sagen, dass das Migrantische in Deutschland im Hip-Hop am stärksten vertreten ist. Es gibt hier neben türkischen, arabischen oder muslimischen Zugewanderten auch eine große Diaspora vom Balkan. Man sieht einfach: Da gibt es offensichtlich eine Musik, die dieses Lebensgefühl oder die jeweilige Alltags- und Welterfahrung besser ausdrückt als andere.
Kretschmar: Die Musikbranche ist mir insgesamt zu redundant. Sie bewegt sich in einem relativ engen Kulturkreis, schottet sich zu sehr ab. Die Musikkulturen der Welt sind darin zu wenig abgebildet. Die Branche stellt sich eben sehr besitzstandswahrend und sehr vermarktungsorientiert auf, lässt zu wenig neue Einflüsse zu, öffnet sich zu wenig für andere, z.B. für diese migrantischen Musikkulturen. So ist die Musikbranche nicht barrierefrei zugänglich. In Wirklichkeit muss man entscheidende Gatekeeper kennen, um überhaupt reinzukommen und muss einen bestimmten Coolness-Faktor mitbringen. Dabei würde das Kulturgut Musik durch neue Impulse sehr gewinnen.
Valentin: Wenn ihr eine Vision für die Förderung von Popmusik hättet – wie sähe die aus?
Graf: Meine Vision ist die Absicherung musikalischer Infrastruktur. Das heißt, wir dürfen keine Räume verlieren, müssen fair bezahlte Auftrittsmöglichkeiten, Probe- und Erkundungsmöglichkeiten erhalten. Wir sehen, dass das gerade in ländlichen Regionen immer schwieriger wird. Es braucht aber auch den Erhalt musikalischer Infrastruktur von Bildungsangeboten. Das bedeutet auch ein menschenwürdiges Einkommen für das Personal, das musikalische Bildung anbietet. Musikpädagogische Berufe dürfen nicht zu prekär werden.
Hornberger: Ich habe auch eine Vision, eher schon eine Utopie. Es gibt in Norwegen eine Institution, die nennt sich „Kulturskole“ („Kulturschule“), und die ist quasi genauso essenziell und wichtig wie die normale Schule. Die Kulturschule ist eine kommunale freie Einrichtung und kostet die Familien nichts. Und sie ist kulturell unspezifisch. So etwas werden wir hier vermutlich nie bekommen, ein guter Anfang wäre aber in jedem Fall die Fortsetzung von Förderprogrammen wie „Kultur macht stark“ oder „Jedem Kind sein Instrument“. Denn sie befähigen und empowern nachkommende Generationen in der Welt der Musik, auch jenseits der Hochkultur.
Kretschmar: Ich wünsche mir die politische Anerkennung und Wertschätzung der demokratiestärkenden Rolle von Popularmusik und in diesem Zusammenhang die nachhaltige Absicherung der regionalen Förderstrukturen und mehr Unterstützung für unseren Weg, einen besseren Zugang zu dem Kulturgut Musik für Menschen aus allen sozialen Schichten zu ermöglichen.
Zu den Mitwirkenden:
© Privat

Prof. Dr. Barbara Hornberger ist Professorin für Musikwissenschaft mit einem Schwerpunkt in Populärer Musik und Digitalen Musikkulturen an der Bergischen Universität Wuppertal. Sie hat an der Universität Hildesheim im Fach Kulturpädagogik studiert und war dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur tätig. Von 2016 bis 2022 war sie Professorin für die Didaktik populärer Musik an der Hochschule Osnabrück. Hornberger ist Vorsitzende der GMM und sitzt im wissenschaftlichen Beirat der GFPM.
© Danny Prusseit

Olaf „Gemse“ Kretschmar stieg nach Philosophiestudium und Marketingausbildung 1993 in die Clubszene Berlins ein und gründete die bekannten Clubs „Delicious Doughnuts Research“ und „oxymoron“. Er war Mitbegründer der Clubcommission Berlin und Geschäftsführer des Magazins „Freshguide Berlin“. Seit 2008 ist er Vorstandsvorsitzender der Berlin Music Commission und begründete das Kompetenzzentrum Musikwirtschaft, die LISTEN TO BERLIN: AWARDS und die Konferenz „MOST WANTED: MUSIC“ mit. Seit 2020 ist er zudem 1. Vorsitzender des BV Pop.
© Elena Zauck

Nina Graf, öffentlich vielleicht besser bekannt als die Künstlerin „Miu“, ist ausgebildete Kauffrau für Marketingkommunikation, Berklee College/Boston Absolventin und Master of Arts in Kultur & Medienmanagement. Sie spielte als erste Pop-Künstlerin in der Elbphilharmonie und brachte ihre Musik independent in den ARD Tatort und die Charts.
© Maxim Green

Antje Valentin ist seit März 2024 Generalsekretärin des Deutschen Musikrats. Sie studierte Instrumentalpädagogik mit Hauptfach Klavier an der Universität der Künste Berlin sowie Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und war viele Jahre lang als Pianistin und Pädagogin tätig. Antje Valentin leitete die Musikschule Berlin-Friedrichshain und war stellvertretende Leiterin der Landesmusikakademie Berlin. 2011 bis Anfang 2024 war sie Direktorin der Landesmusikakademie NRW in Heek.
Shownotes
- Bundesverband Popularmusik
- Berlin Music Commission
- Förderprogramm POP II GO des BV Pop
- Förderprogramm Kultur macht stark
- Förderprogramm Jedem Kind sein Instrument