Jenseits von „U“ und „E“: Die Vielfalt aller Genres sollte gefördert werden!
Ein Kommentar zur GEMA-Reform von Prof. Udo Dahmen

Schon seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich abgezeichnet, dass die Trennung zwischen E- und U-Musik in der Bewertung von künstlerischen Qualitäten und deren Einordnung nicht mehr greifen kann. Zahlreiche künstlerisch interessante Kompositionen und Produktionen, die sich genreübergreifend und grenzüberschreitend einer Kategorisierung verschließen, die Experimentelles wagen und die durchaus sperrig sein wollen, sind in den letzten 60 Jahren entstanden. Sie sind vor dem Hintergrund und als Kommentar der Populären Musik, des Jazz, der Independent Music, der elektronischen Musik, der Filmmusik, der Minimal Music und der Neuen Musik zu betrachten und entziehen sich damit einer eindeutigen Einordnung. Selbstverständlich hat sich die GEMA Mühe gegeben, das einzelne Werk zu beurteilen, jedoch hat dies nicht geholfen, die zunehmende Zahl an Werken, die grenzüberschreitend und genreübergreifend sind, die sich Inspirationsfelder in allen Bereichen der Musik erschließen und die gleichermaßen experimentell und wagemutig, aber auch populär sein können, entsprechend zu erfassen. Dies gilt sowohl für die Idee, das Konzept als auch für die Umsetzung in der Produktion (Notenschrift, elektronische Produktion, orale Weitergabe etc.).
Daher war eine Reform lange überfällig, durch die nunmehr eine Förderung der Vielfalt aller Genres der Musik durch die GEMA stattfinden soll, d.h. für die Zukunft soll der Reichtum an unterschiedlichen Ausdrucksformen gewürdigt werden. Deutschland zeichnet sich durch einen erheblichen Schatz an großen musikkulturellen Traditionen aus, die bis in die Gegenwart reichen und alle Genres der Musik, also auch Jazz und Populäre Musik, einschließen. Dies bedeutet auch, dass das Bewusstsein für die Förderung von als wesentlich betrachteter Musik einen erheblichen Stellenwert einnimmt, was sowohl für die staatlichen Unterstützungsmodelle als auch für die Förderung durch wichtige Institutionen des kulturellen Lebens gilt, u.a. auch für die GEMA. Diesen Zusammenhang gilt es auch für die Zukunft zu sichern und weiterzuentwickeln. Dabei sollte Bewährtes erhalten und Neues in aller Vielfalt unterstützt werden. Vor allem junge Künstlerinnen und Künstler – Newcomer – sollten im Fokus der Förderung stehen, damit sich auch zukünftig wagemutige, experimentelle, stilbildende Strömungen entwickeln und etablieren können.
Eine Einschränkung der Förderung durch die GEMA wäre sehr bedauerlich und nicht hilfreich. Dem alleinigen wirtschaftlichen Interesse sollte die Zukunft unserer kulturellen Vielfalt nicht geopfert werden. Zugleich ist eine musikästhetische Abwertung der Ausdrucksformen des Jazz und der Populären Musik, wie sie etwa Theodor Adorno vertrat, im Rückblick eher schädlich für die gesamte Perspektive auf die mannigfachen Ausdrucksmöglichkeiten von Musik aller Provenienzen gewesen, insbesondere im Hinblick auf deren Bedeutung für die kulturelle Entwicklung und für die Relevanz von Populärer Kultur für die gesamte Gesellschaft.
1. April 2025
Zum Autor
Von 2003 bis 2023 war Udo Dahmen künstlerischer Direktor, Geschäftsführer und Professor der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim. Er ist seit 2003 Vizepräsident des Deutschen Musikrats sowie Mitglied im Aufsichtsrat des Deutschen Musikrats. 1983 bis 2003 lehrte er als Professor an der Hochschule für Musik in Hamburg, 1969 bis 2003 war er als freiberuflicher Drummer tätig.
Dahmen wurde 2023 mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet Im gleichen Jahr wurde Dahmen die Ehrennadel der Deutschen Jazzunion überreicht. Seit 2015 ist Dahmen nach 20-jähriger Präsidentschaft Ehrenpräsident des Schlagzeugverbands Percussion Creativ e.V.
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Transparenzhinweis
Dieser Beitrag bildet die Meinung des Autors ab und ist nicht als allgemeine Stellungnahme des Deutschen Musikrats zu begreifen.